Tuesday, October 17, 2023

VORTRAG „DIE GRABLEGUNG DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT UND IHRE MÖGLICHE AUFERSTEHUNG“ AUF YOUTUBE ZU SEHEN

Dieser Einführungsvortrag wurde im Rahmen der Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung 1923/24 am 12. August im Herbert Witzenmann Zentrum zu Dornach von Robert Jan Kelder, Leiter des Willehalm Instituts in Amsterdam, gehalten und richtet sich an Mitglieder und Freunde der Anthroposophischen Gesellschaft und all jene, die an ihrem Schicksal Anteil nehmen. In dem Vortrag wird erstens erläutert, wie das verhängnisvolles Missverständnis der verantwortlichen Verfasser des Arbeitspapiers zur Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft, dadurch das dieses Papier als Teil des Rechenschaftsberichts des Vorstands am Goetheanum der Generalversammlung 2022 vorgelegt und von diese genehmigt wurde nun zur offiziellen Aufhebung, d.h. Grablegung der Anthroposophischen Gesellschaft geführt hat, und zweitens, wie ihre Auferstehung durch die Widerherstellung und Verwirklichung der Gründungsstatuten, die nicht nur die exoterische Seite der Grundsteinmeditation Rudolf Steiners, sondern auch das ideelle Ebenbild seines Menschheitsrepräsentants darstellen, erreicht werden könnte und zwar als Vorbereitung für das wahre Christentum der nächsten 6. Slavischen Kulturepoche. Der Vortrag wurde auf hierl angekündigt, wo Links und Titel zu dem im Vortrag erwähnten Literatur zu finden ist, sowie Weiteres zum angesprochen Thema.

Am 19. August wurde am selben Ort und Stelle der Vortrag auf English unter dem Titel "The Entombment of the Anthroposophical Society and Its Possible Resurrection" gehalten, der auch auf diesem Channel zu sehen ist. Es soll die Stellung dieses Einführungsvortrags durch weitere Vorträge mit Gespräch vertieft, und erweitert werden.

Sunday, August 6, 2023

DIE GRABLEGUNG DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT UND IHRE MÖGLICHE AUFERSTEHUNG


Ankündigung der Stiftung Verlag Willehalm Institut für

Anthroposophie als Gralsforschung, Königliche Kunst und Sozialorganik[1]

Amsterdam, den 6. August 2023 – Am Samstag, den 12. August vom 15 -17 Uhr wird im Herbert Witzenmann Zentrum, gelegen gegenüber dem Südeingang des Goetheanumbau in Dornach, Robert Jan Kelder, Gründer des Willehalm Instituts zu Amsterdam einen Vortrag im Rahmen der Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung halten und zwar unter dem Titel „Die Grablegung der Anthroposophischen Gesellschaft und ihre mögliche Auferstehung". Der Vortrag mit anschließend Möglichkeiten zum Gespräch wird eine Woche später am 19. August am selben Ort und Zeitpunkt auf Englisch gehalten unter dem Titel „The Entombment of the Anthroposophical Society and Its Possible Resurrection". 

Dies wird nun das zweite Mal sein, dass das Willehalm Institut eine Initiative im Herbert Witzenmann Zentrum entfalten kann, denn im Jahre 2018 hat es da im Rahmen der damaligen Weihnachtstagung am Goetheanum  schon eine „freie Arbeitsgruppe“ organisiert unter dem Titel  Die Weihnachtstagung als eine zeitgeschichtliche Metamorphose des Mysteriums von Golgotha und ihre Verwirklichung als ewige Aufgabe“, wovon die Ankündigung auch auf English hier zu lesen ist. Der Vortrag wird nicht nur daran anschließen, sondern auch an den jährlichen Anträgen bzw. Anliegen an die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophische Gesellschaft, die Kelder seit 2018 gestellt hat[2] sowie an seinen Artikel und Brief über dieses zentrale Thema der Weihnachtstagung.[3]

Der letzte Artikel in dieser Reihe war einen „Kurzen Diskussionsbeitrag an die drei von der Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum im Juni, November 2023 und Februar 2024 geplanten Wochenende-Tagungen über ‚Die Konstitution der (Allgemeinen) Anthroposophischen Gesellschaft‘ unter dem Gesamttitel ‚Ein geistig-soziales Kunstwerk im Werden‘. Der letzten Teil III „Was werden will“ dieses Artikels, der auch für die Teilnehmer der Wochenendetagung vom 16.-18. Juni ausgelegt wurde, lautete wie folgt:

Wir sind also als Mitglieder nicht, wie manche behaupten, in der verkehrten Gesellschaft geraten, sondern eben in der Richtigen, nur dass deren sozialorganischen Leiblichkeit ernsthaft geschädigt, ja verletzt wurde, die deswegen wiederherstellt werden soll um somit als die Organisationsform zur Vorbereitung des neuen Christentums der 6. Kulturepoche zu dienen. Von dem Aufgreifen dieser Aufgabe wird es abhängen, ob nun die Jahrhundertfeier eben eine Feier wird oder ein Trauerspiel.“

Nun, der Vortrag am 12. August wird aber keine lautere Wiederholung des oben Dargestellten sein (das würde wegen dem Umfang auch gar nicht möglich), sondern wird versuchen darzulegen, was erst vor Kurzem deutlich wurde, und das ist Folgendes: 

Im Jahre 2022 wurde die „Chronologie zum Konstitutionsgeschehen der Anthroposophischen Gesellschaft nach Dokumenten“ als Arbeitspapier der vom u.a. Vorstandsmitglied Justus Wittich und vom Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum, Gerold Häfner imitierten und geleiteten Arbeitsgruppe von Experten[4] zur sog. Konstitutionsfrage der ordentlichen Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft vorgelegt. In dieser Chronologie wird nun offiziell, d. h. vom Goetheanum aus festgestellt, dass wir eben nicht Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft der Weihnachtstagung sind, denn dies ist, wie Gerold Häfner in seinem Einleitungstext in zur ersten von drei Tagungen im Juni geschrieben hat, eine fromme „Illusion“. Nein, wir sind nach der zog. Zwei-Gesellschaften Theorie seit der Weihnachtstagung 1925 übergegangen in der als Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft am 8 Februar 1925 umbenannten Goetheanum Bauverein, und seitdem existiert die Anthroposophische Gesellschaft der Weihnachtstagung nicht, denn sie hat z. B. nie mehr eine Jahresversammlung abgehalten.

Nun hat die Generalversammlung 2022, nachdem sie meinen Antrag dem Vorstand keine Décharge zu erteilen abgelehnt hat, dem Vorstand wohl Décharge erteilt, was also heißt das nicht nur die finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern auch die geistige Arbeit des Vorstands genehmigt, zugestimmt wurde, somit auch das Arbeitspapier, worin die Anthroposophische Gesellschaft der Weihnachtstagung eben als nicht existent festgestellt, abgeschafft wird. Damit hat also die Generalversammlung, ohne eigentlich zu wissen was sie mit der Déchargerteilung bewirkt hat, die Grablegung der Anthroposophischen Gesellschaft auf ihrem Gewissen genommen.

Die Chronologie der Arbeitsgruppe hat aber zwei Fragen offengelassen, die Frage nach der Identität der Anthroposophischen Gesellschaft (Verein im Rechtsleben oder freie Gesellschaft im Geistesleben) und Frage nach der zog, „einheitlichen Konstituierung“. Der Grablegung der Anthroposophische Gesellschaft kann eine Auferstehung folgen, wenn erstens eingesehen wird, dass die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft eine Zwei-einheit ist, also sowohl Verein im Rechtsleben als physischer Leib als auch freie Gesellschaft als eine Art Etherleib, beide idealiter überstrahlt von der himmlischen, anthroposophischen Bewegung und wenn zweitens auf diese Erkenntnisgrundlage endlich einen Anfang gemacht wird mit der Widerherstellung der 15 Statuten der Weihnachtstagung als der Form, welche die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege braucht.

Dies soll an Hand des Werkes von Herbert Witzenmann, wie von Reto Andrea Savoldelli und Richard Weinberg am 12. August versucht werden darzustellen. Der Vortrag wird möglicherweise aufgenommen und auf YouTube gesetzt. Eine Ankündigung des englischen Vortrags am 19. August folgt demnächst.  



[1] Für die Statuten, Präambel, Ziele und Aktivitäten der Willehalm Stiftung siehe hier. Für weiter Aktivitäten usw. des Willehalm Instituts siehe hier.

[4] Unter diesen Experten gab es sowohl Anthroposophen und Alt-Anthroposophen, und der Schreiber dieses Textes, dessen Beiträge, gegen dem Versprechen, nicht honoriert wurde. Siehe den Brief 1. Im Fußnoten 3.

Thursday, August 3, 2023

Kurze Diskussionsbeitrag an die drei von der Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum im Juni, November und Februar 2024 geplanten Wochenende-Tagungen über „Die Konstitution der (Allgemeinen) Anthroposophischen Gesellschaft“ unter dem Gesamttitel „Ein geistig-soziales Kunstwerk im Werden“

I. Was gewollt war 

Es bestehen innerhalb der Gesellschaft verschiedene, oder gar gegensätzliche Auffassungen, wie denn genau die Konstitutionsfrage lautet und deswegen auch ebenso viele Antworten darauf. Meiner Auffassung nach geht es um die Grundfrage, ob die Weihnachtstagung gelungen ist oder (noch) nicht, und ob die Form, die während der Weihnachtstagung intendiert war, also die Gründungsstatuten, ohne die physische Anwesenheit Rudolf Steiner noch zu verwirklichen sind. Diese Frage habe ich seit 2018 mit jährlich Anträge an die Generalversammlungen der AAG unter verschiedenen Gesichtspunkten ausführlich behandelt sowie Antworten dazu, die alle zu lesen sind auf  http://Willehalm-Stiftung.blogspot.nl.

Nun, aus dem anoniemen Programmtext der Tagung der Sozialwissenschaftlichen Sektion unter der Leitung von Gerold Häfner geht die Auffassung hervor, dass die Weihnachtstagung misslungen sei, denn es wird darin behauptet, dass der von Rudolf Steiner durch die Weihnachtstagung geschaffener geistig-sozialer Boden, worauf die Mitglieder meinen zu stehen, eine Illusion ist. Zitat:

"An Weihnachten 1923/24 hatte Rudolf Steiner die Anthroposophische Gesellschaft neu begründet. Unter seiner Vorbereitung und prägenden Gestaltung vollzog sich ein einzigartiger Inkarnationsvorgang, der die geistige wie irdische (soziale) Welt in bisher ungekannter Weise umfasste. Das ist der Boden, auf dem wir heute als Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft stehen. So unser Verständnis. Doch die Wirklichkeit ist anders. Noch während der Weihnachtstagung wies Rudolf Steiner darauf hin, dass die Konstitution noch nicht vollendet sei. Insbesondere die von ihm unternommenen Versuche, zu ‚dem Goetheanum-Bauverein die entsprechende Relation zu bilden‘ (GA 260, S. 110), kamen zu seinen Lebzeiten nicht mehr vollständig zum Abschluss. Im Bemühen, diese einheitliche Konstitution zu realisieren getroffene Entscheidungen führten nach seinem Tode im Ergebnis dazu, dass die zu Weihnachten 1923 gegründete Gesellschaft ab 1925 und seither im (Rechts-)Leib des ehemaligen Bauvereines weiterlebt. Wie konnte es dazu kommen? Und was bedeutet das für die heutige Anthroposophische Gesellschaft? Welche Statuten gelten – und welche sollen in Zukunft Gültigkeit haben?"  

Wie ich des Öfteren, und zuletzt in meinem Antrag im Frühjahr an die GV der AAG "Das Kreuz der Weihnachtstagung als Rechtsform des neuen Christentums" vielfach darauf hingewiesen habe, hat Rudolf Steiner sehr wohl diesen realen Bodem geschaffen, worauf weiter gebaut werden soll. So sagte er am 27. Dezember 1923: "Der Zentralvorstand wird als seine Aufgabe lediglich die Realisierung der Statuten zu betrachten haben; er wird alles zu tun haben, was in der Richtung der Realisierung der Statuten liegt. Und damit ist eine grosse Freiheit gegeben. Aber zugleich weiß man auch, was man an diesem Zentralvorstande hat, denn man hat die Statuten und kann aus ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem, was er jemals tun wird. Dadurch ist auch die Möglichkeit geschaffen, überall auf realem Boden zu stehen, wo solche Vereinigungen entstehen, wie zum Beispiel der Goetheanum-Bauverein. Und es wird in den nächsten Tagen die Aufgabe sein, zwischen dem Vorstand, der sich gebildet hat, die entsprechende Relation zu bilden."   (Siehe: http://willehalm-stiftung.blogspot.com/2023/03/das-kreuz-der-weihnachstagung-als.html)

Darin liegt eben das Konstitutions-Problem oder die Tragik, dass man allmählich versäumt hat oder unfähig war, die allumfassenden Freiheitsstatuten zu realisieren, auch innerhalb der AAG, denn dessen 2. Statut lautet immerhin: "Die Gesellschaft verfolgt ihre Aufgabe und Ziele nach dem von Rudolf Steiner vorgeschlagenen und bei der Gründungsversammlung am 28. Dezember 1923 von den Mitgliedern einstimmig angenommen Gründungsstatut." Dies hat Vorrang, und deshalb wollte Rudolf Steiner, nach Günther Wachsmuth, nicht dass man sich von den juristischen Statuten, die nur für die Aussenwelt bestimmt waren, ablenken soll und man sich stattdessen der Aufgabe zuwenden soll, das mit der Weihnachtstagung inaugurierten neuen Zivilisationsprinzip zur Rettung der Menschheit und Erde zu verwirklichen. Wie in diesem Sinne Rudolf Steiner mit der Weihnachtstagung sowohl das Urbild wie das Vorbild der modernen Erkenntnis- und Leistungsgesellschaften gebildet hat, hat Herbert Witzenmann in seiner vier Sozialästhetische Studien, vor allem in „Der Urgedanke - Rudolf Steiner Zivilizationsprinzip und die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft“ dargestellt (siehe www.Das-Seminar.ch). Darin hat er sich auch geäußert über die kontroversen Vorgänge vom 8. Februar 1925. Er beendet dies wie folgt: „Was die Vorgänge vom Februar 1925 anlangt, so wird, wer einige Übung im Tatsachendenken hat und die Neigung besitzt, dieses anzuwenden, unschwer in der Lage sein, das in ihnen Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und misstrauende Spekulation meiden. Dass auch andere Formulierungen denkbar sind, als jene, die Rudolf Steiner selbst nur für provisorisch zweckmässig hielt, und damit auch solche Anpassungen der zu treffenden Ordnungsmassnahmen an die behördlichen Forderungen, welch die Intentionen Rudolf Steiners besser, als es damals geschah, zum Ausdruck bringen würden sollte nicht der Erwähnung bedürfen, - aber auch, dass es sich dabei nicht um Fragen handelt, welche die Grundlagen von Hochschule und Gesellschaft betreffen. – Es sind die Grundlagen, die Rudolf Steiner eine immer bemühten Strebensgemeinshaft gegeben hat, die berufen ist, unter Verwandlung der operationalistischen Bewusstseinshaltung aus zeitgemäss meditativer Denkgesinnung eine sozialästhetische Ausdruckswelt zu schaffen.“ 

II. Was geworden ist

Das war also gewollt. Was nun daraus geworden ist, ist das im Laufe der Zeit 9 von den 15 Gründungsstatuten ausser Kraft gesetzt oder nicht beachtet wurden, wie dies Reto Andrea Savoldelli in seiner Schrift „Prinzipien vs Statuten – Ein Verwirrspiel als Prüfstein der anthroposophischen Gesellschaft“ gezeigt hat (siehe: www.Das-Seminar.ch). Von diesem Versäumnis, oder Nachlässigkeit ist z.B. in der bis jetzt  nicht von der Generalversammlung  der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft genehmigten „Chronologie zum Konstitutionsgeschehen der Anthroposophische Gesellschaft“ nichts zu lesen, ja im 4. Kapitel „Das Entstehen des Konstitution-Problems“ wird sogar behauptet, dass nur dadurch dass der Vorstand personenidentisch ist in beide Körperschaften (Anthroposophische Gesellschaft und Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft) eine einheitliche Leitung zunächst herbeigeführt würde, ohne hinzuzufügen, dass man dabei sich auf die Statuten der Weihnachtstagung zu orientieren hat, und auch, dass das Schweizer Rechtshof 2005 geurteilt hat, das beide Gesellschaften eben eins geworden sind. Der Grund dazu, das sog. Konkludenten Verhalten, war juristisch nicht ganz in Ordnung, aber wie ich schon in meiner Anträge gestellt habe – ohne dass darauf, trotz dem Versprechen vom Vorstand eingegangen ist – wurde dadurch das man immerhin mindestens versucht hat bis etwa die 70‘ Jahren die Kultur der Weihnachtstagung in der Allgemeinen Anthroposophische Gesellschaft zu pflegen, gesagt werden kann, dass durch Gewohnheitsrecht die beide Körperschaften eins geworden sind.

Diese Chronologie ist nicht abgeschlossen, denn die Frage nach der Identität der Anthroposophischen Gesellschaft wurde offengelassen (Verein im Rechtsleben oder freie Gesellschaft im Geistesleben?) sowie scheinbar auch die Frage auf S. 34: „welche von den beiden Statuten ist nun für das Leben der Anthroposophischen Gesellschaft richtig und rechtskräftig?“, womit man die Aussage von Günther Wachsmuth, dass Rudolf Steiner gesagt hat, dass eben die Gründungsstatuten maßgeblich sind, dass man sie „Prinzipien“ nennen soll und das eine (provisorische) einheitliche Konstitution vollzogen sei, in Abrede gestellt hat.  Und so ist genau dadurch, dass man die Statuten über den „Prinzipien“ gesetzt hat, daraus geworden, was schon Elisabeth Vreede in einem Brief vom 8. 2. 1925 an Albert Steffen geschrieben hat: „Ich kann nur unendliches weiteres Unheil für die Gesellschaft daraus erwarten.“ (Zitiert in der Chronologie auf S. 33).

Die Chronologie endet damit, dass doch die Frage „Prinzipien oder Statuten?“ implizit beantwortet wird, indem geschrieben wurde: „Erst durch die ‚Mitteilung des Vorstandes vom 22. 3. 1925‘ (von Wachsmuth verfasst) und dann durch die Vorgänge zur ersten Generalversammlung am 29. 12. 1925 konnte dieses verhängnisvolle Missverständnis offenbar werden und sich manifestieren, dass eine einheitliche Konstitution insgesamt nun vollzogen sei und damit auch die Mitglieder des am 8. 2. 1925 gegründeten Vereins ‚Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“ aufzutreten und fortan nach dessen Statuten sein Leben zu führen hatten.“ Diese Zwangslage für die Mitglieder sich nur nach den Statuten und nicht nach den „Prinzipien“ zu leben bestand und besteht eben nicht, denn, wie schon darauf aufmerksam gemacht, soll man zich nach dem 2. Statut der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft auf an Gründungsstatut orientieren.[1]

III. Was werden will

Wir sind also als Mitglieder nicht, wie manche behaupten, in der verkehrten Gesellschaft geraten, sondern eben in der Richtigen, nur dass deren sozialorganischen Leiblichkeit ernsthaft geschädigt, ja verletzt wurde, die deswegen wiederherstellt werden soll um somit als die Organisationsform zur Vorbereitung des neuen Christentums der 6. Kulturepoche zu dienen. Von dem Aufgreifen dieser Aufgabe wird es abhängen, ob nun die Jahrhundertfeier eben eine Feier wird oder ein Trauerspiel.[2]   



[1] Wie dies geschehen kann, siehe „Die Prinzipien der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft als Lebensgrundlage und Schulungsweg“, „Gestalten oder Verwalten – Rudolf Steiners Sozialorganik / Ein neues Zivilizationsprinzip“ und „Die Fragen der modernen Zivilisation und die Antworten der Prinzipien von Rudolf Steiner“ von Herbert Witzenmann (www.das-Seminar.ch).

[2] Eine wichtige Hilfestellung zu dieser Aufgabe hat Reto Andrea Savoldelli gegeben in seinem Aufsatz „Freie Strukturen und geistiger Schutz – Zur Verwirklichung der Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft“, ein Vortrag gehalten im Goetheanum am 18. September 1999 anlässlich einer Herbert Witzenmann Gedenktagung, die er als damaliger Geschäftsführer des Gideon Spicker Verlags zusammen mit dem damaligen ersten Vorsitzender der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft Manfred Schmidt-Brabant organisiert hat. Er hat in diesem Aufsatz die Grundlagen für eine weiterführende Kooperation der beiden Tagungsveranstalter untersucht, wozu es nicht gekommen ist, obwohl er gebeten wurde einen Vortrag an die kommende Konstitutionstagung zu halten, den er wegen einer vollen Agenda vorbeigehen lassen musste. Sein Aufsatz ist enthalten in Heft 1 Dezember 1999 der „Arbeitsberichte des Seminar für freie Jugendarbeit, Kunst und Sozialorganik.“

Thursday, March 23, 2023

DAS KREUZ DER WEIHNACHSTAGUNG ALS RECHTSFORM DES NEUEN CHRISTENTUMS - Antrag von Robert Kelder an die ordentliche Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft vom 31.März bis 2.April 2023 am Goetheanum, Dornach


VORBEMERKUNG 

Die Generalversammlung soll nach dem 11. Traktandum 2 "Gestaltung des Gesamt-organismus der anthroposophischen Gesellschaft": A.  Das Ergebnis der Konstitutions-Kolloquien (‹Chronologie des Konstitutions-Geschehens nach den Dokumenten›) einschließlich der offenen Fragen zur Kenntnis nehmen und damit das Thema niederlegen, und es soll zugleich B. einen offener Suchprozess nach einer angemessenen und aktualisierten Formgestalt des Gesamtorganismus der Anthroposophischen Gesellschaft eingeleitet werden, der spirituelle, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt.

ANTRAG [1]

Entgegen dem Versprechen in „Anthroposophie Weltweit“ Nr. 9/22, dass das Endergebnis mit ergänzenden Beiträgen aus dem Kreis der Teilnehmenden ab Oktober 2022 freigeschaltet werden soll, ist das bis jetzt (wir schreiben den 23. März) nicht geschehen. Auch wenn es demnächst noch freigeschaltet, oder an der Generalversammlung vorgelegt wird, ist das immerhin zu kurz um zich ein Urteil darüber zu bilden, ob nun das Thema niedergelegt werden soll oder nicht. Dem Arbeitspapier zur Vorlage bei der Generalversammlung 2022 aber ist zu entnehmen, dass die strikt juristische Arbeitsmethode an Hand von Fakten, Fakten und nur Fakten - also keine Interpretationen - nicht der völlig neuen Form der an der Weihnachtstagung neubegründeten Anthroposophischen Gesellschaft als ein spirituelles Zivilisationsprinzip des neuen Christentums gerecht wurde, nämlich die Sozialorganik, welche das heutige, zum Krieg aller gegen allen, zum Nichts and Selbstmord führende materialistische Zivilisationsprinzip ersetzen soll. Außerdem wurden diesbezüglich meine seit 2018 jährlich eingereichte Anträge an die Generalversammlung erst vom Tisch gewischt, wurde dann im Jahre 2021 einer Versprechung des Vorstands mein Anliegen in die Konstitutionsgruppe auszuarbeiten nicht nachgekommen und wurden meine methodischen und inhaltlichen Anregungen als Mitglied dieser Konstitutionsgruppe einfach ignoriert. Die Generalversammlung kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Konstitutions-Kolloquien einschließlich der offenen Fragen gar nicht richtig zur Kenntnisnehmen und legt somit das Thema nicht nieder. Denn der Weg ist noch nicht frei, wie behauptet wird von Justus Wittich, für einen breit getragenen Zukunftsgriff.

________________________
[1[ Die englische Fassung des Antrags " The Cross of the Christmas Conference as the Constitution of the New Christianity" ist hier zu lesen. Im Nachwort steht ein kurzer Bericht über das Ergebnis.


BEGRÜNDUNG

I

Über diese offenen Fragen hat Justus Wittich in „Anthroposophie Weltweit“ 9/22 Folgendes geschrieben: „Keine Einigung wurde gefunden über die Rechtsform der zu Weihnachten 1923/24 gegründeten Gesellschaft (Verein oder freie Vereinigung) und die Interpretation von Rudolf Steiners erstem Versuch vom 29. Juni 1924, eine einheitliche Konstitution für die bis dahin entstandenen Institutionen zu gestalten. Hier gibt es beispielsweise im Stenogramm und im überlieferten Statutenentwurf des Bauvereins eine rätselhafte Stelle, die zu zwei unterschiedlichen Interpretationen führt: ob nämlich Rudolf Steiner mit der zu Weihnachten 1923/24 gegründeten Gesellschaft eine Eintragung ins Handelsregister beabsichtigte oder gerade nicht.  - Dadurch gibt Justus Wittich deutlich zu erkennen, dass das vom Gerald Häfner, dem leitenden Mitglied jenes Kolloquiums und Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion wiederholt betonte Mandat, die Chronologie der Konstitutionsgeschichte ausschließlich unter formal-juristischen Geschichtspunkten zu erarbeiten, bei den offenen Fragen in eine Sackgasse geführt hat. Denn dies ist eine Vorgehensweise, wie man sie vorab aus der materialistischen Naturwissenschaft her kennt, die jedoch innerhalb des geisteswissenschaftlichen Gebietes ungeeignet ist, geschweige denn angesichts des spirituellen Weihnachtstagungsimpulses, bei dem vom Ideell-Urbildlichen auszugehen ist, wobei dem Faktischen und Juridischen eine untergeordnet darstellende Rolle zukommt, dass allein im Hinblick auf das Urbildliche sachgemäß interpretiert werden kann.

Wenn man also feststellen möchte, „ob Rudolf Steiner mit der zu Weihnachten 1923/24 gegründeten Gesellschaft eine Eintragung ins Handelsregister beabsichtigte oder gerade nicht“, sollte man ihn selbst fragen, was er mit der Weihnachtstagung beabsichtigt hat. Diese Frage hat er im Nachrichtenblatt vom 13. Januar 1924 beantwortet, nämlich, dass mit der Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft eine Rechtsform hergestellt werden sollte, welche die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege bedarf. Wohlbemerkt, diese anthroposophische Bewegung charakterisierte er am 18. Juli 1924 in Arnheim inhaltlich als das neue Christentum, welches den am himmlischen Michaelkultus in der geistigen Welt beteiligten anthroposophischen Seelen vorbestimmt war, um im Aufbruch zur sechsten Kulturperiode unter der Menschheit eben in der beabsichtigten Rechtsform der Weihnachts-tagung das neue Erkenntnis-Christentum zu begründen. Inwiefern das für das verstehende Erleben dessen die "Philosophie der Freiheit" Rudolf Steiners die methodische Grundlage bildet, kann man unter dem Titel „Aufbruch zur VI. Kulturperiode“ in einer Ausgabe der gesammelten, frühen Aufsätze von Valentin Tomberg nachlesen. Und wenn Rudolf Steiner in seinem einzigen Vortrag über den Manichäismus am 11. November, 1904 in Berlin davon spricht, dass die äußere Organisationsform für das wahre Christentum der sechsten Kultur-epoche, „die Gemeinde, in der zuerst der christlichen Funke so recht Platz wird greifen können,“ schon jetzt in der heutigen fünften Epoche geschaffen werden muss, so kann man dies in dem von Rudolf Steiner stellvertretend für Mani  geschaffenen Gründungs-Statuts der Weihnachtstagung erblicken. Dies hilft auch, zu verstehen, warum laut Rudolf Steiner die Aufgabe des Vorstands lediglich in der Verwirklichung dieser neuen Rechtsform besteht. 

 

II

Nun habe ich in einem E-Mail vom 25. August 2021 unter dem Titel „Das Kreuz der Weihnachtstagung – Die Anthroposophische Gesellschaft als die Form des neuen Christentums“ den Mitgliedern des Konstitution-Kolloquiums gegenüber erstens an die unsachgemäße Behandlung durch Justus Wittich meines an der GV 2021 vorgebrachten Anliegens und an das bis jetzt nicht eingehaltene Versprechen, diese Sache im Kolloquium auszuarbeiten, erinnert. Als nach meinen mündlichen Hinweisen diesbezüglich auch keine Antwort kam, habe ich darauf mit einem Antrag an die letztjährige Generalversammlung mit dem Titel „Das Kreuz der Weihnachtstagung - Zur Nicht-Entlastung des Vorstands“ reagiert, der - wie bekannt sein mag - abgewiesen wurde. 

Des Weiteren habe ich in diesem Brief an das Kolloquium an die unbegründete Abweisung meines Vorschlags erinnert, das ungeeignete Motto der Konstitutionschronik zu ersetzen. Als Motto hatte man nämlich, bevor ich mich dieser Gruppe angeschlossen hatte, das folgende Zitat von Rudolf Steiner gewählt:  "Meine lieben Freunde, für die anthroposophische Bewegung ist es höchst gleichgültig, ob sie diese oder jene Statuten hat, ob sie diesen oder jenen Namen trägt, aber für die anthroposophische Bewegung ist es von allergrößtem, von dem denkbar größten Werte, wenn sie wertvolle Mitglieder hat, die aus vollem Herzen und aus vollem Verständnis heraus überall da, wo sie können, wo es in ihrer Macht und in ihrem Karma liegt, in die gegenwärtigen Kulturströmungen eingreifen.“ - Ich zitiere aus meinem Brief: „Wichtig ist, dass Rudolf Steiner dies in einem Diskussionsbeitrag auf der fünften Generalversammlung des Johannes-Bauvereins am 21. Oktober 1917 gesagt hat, also vor der Weihnachtstagung 1923 zur Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Aus dem, was er während der Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923 sagte, geht aber keines-falls hervor, dass es der anthroposophischen Bewegung "höchst gleichgültig ist, ob sie diese oder jene Statuten hat." - Denn das Erste, was er nach der Gründungstagung am 13. Januar 1924 im Nachrichtenblatt schrieb, war [wie bereits erwähnt]: "Der Anthroposophischen Gesellschaft eine Form zu geben, wie sie die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege braucht, das war mit der eben beendeten Weihnachtstagung am Goetheanum beabsichtigt."

„Ich stelle also (nochmals) vor,“ [so geht der Brief weiter] „das heutige Motto zu ersetzen durch dasjenige, was Rudolf Steiner in der Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923 während der Weihnachtstagung sagte: "Der Zentralvorstand wird als seine Aufgabe lediglich die Realisierung der Statuten zu betrachten haben; er wird alles zu tun haben, was in der Richtung der Realisierung der Statuten liegt. Und damit ist eine grosse Freiheit gegeben. Aber zugleich weiß man auch, was man an diesem Zentralvorstande hat, denn man hat die Statuten und kann aus ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem, was er jemals tun wird. Dadurch ist auch die Möglichkeit geschaffen, überall auf realem Boden zu stehen, wo solche Vereinigungen entstehen, wie zum Beispiel der Goetheanum-Bauverein. Und es wird in den nächsten Tagen die Aufgabe sein, zwischen dem Vorstand, der sich gebildet hat, die entsprechende Relation zu bilden.‘“

Wie ich nun weiter in diesem Brief und in meinem Antrag vom 2022 dargestellt habe, handelt es sich hier bei der Verwirklichung der allumfassenden Freiheitsstatuten um die vertikale Linie des Kreuzes der Weihnachtstagung, d.h. die Inkarnation des Geistes, die Verbindung zwischen Himmel und Erde durch die Erschaffung einer gemeinsamen ätherischen Bewusstseinsschale für die Aufnahme des neuen Erkenntnis-Christentums von Freiheit und Liebe. Dass nun die Verwirklichung der Statuten in Prinzip auch ohne die physische Anwesenheit Rudolf Steiner möglich ist, zeigt erstens die Tatsache, dass er die Statuten über den Vorstand stellt. Dass dies aber auch tatsächlich jederzeit und überall möglich ist durch den sogenannten "umgekehrten Kultus" und das Gegenstromprinzip zwischen dem Vorstand (Zentrum) und der Mitgliedschaft (Peripherie), hat das ehemalige Vorstandsmitglied Herbert Witzenmann in seinen „Sozialästhetischen Studien – Arbeitsmaterialien zur Spiritualisierung des Zivilisationsprinzip [1] gezeigt, in denen er sich zu jenem "vollständigen Bild" äußert, von dem Rudolf Steiner als demjenigen gesprochen hat, was der Vorstand je tun wird. So schreibt Witzenmann z.B. in seiner ersten Studie „Die Prinzipien der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft als Lebensgrundlage und Schulungsweg"(auf S. 13 ff.) : „Eine freie Gemeinschaft kann keine ‚juristische Person‘, kein personifiziertes Organisationssystem sein. Sie kann sich nur als die überpersönliche Realität eines gemeinsamen freien Bewusstseins bekunden, wie es sich in einer Erkenntnis- Gemeinschaft zu bilden vermag, die sich eines Erlebnisspielraums zwischen Geistes- und Sinnenwelt bewusst ist. 'Überpersönlich' bedeutet hierbei nicht die Auslöschung individueller Bewusstheit und Selbstständigkeit in einer Realität anderer Art, sondern das gemeinsame Bewusst-sein im gleichen Erkenntnisstreben Vereinter, welche des Anwesendwerden eines zwar gleichen, doch nur in individuellen Akten erfahrbaren, universellen Geistigen innewerden, wie dies in jedem individuell betätigten Erleben eines geistigen Inhalts erfahren wird. 

Eine solche Einheit des Esoterischen und Exoterischen, des Universellen und des Individuellen, die durch eine rhythmische Mitte, ein schlagendes Herz, einen strömenden Atem, verbunden ist, kann ihre volle Wirklichkeit in einer Gemeinschaft erst seit der Begrün-dung des Christentums finden. Denn erst durch die Veröffentlichung der Mysterien-     geheimnisse von der Inkarnation des Geistigen und Transsubstantiation de Physischen in einem gottmenschlichen Lebenslauf ist es möglich geworden, das Inneres und Äusseres, Mysterium und Öffentlichkeit Offenbarungen des gleichen Wesens sind. Daher ist jede moderne Gemeinschaft, die sich in freier, individueller Wachheit den Stil ihrer äusseren Erscheinung erbildet, eine christliche. Sie kann nicht programmatische oder dogmatisch auf Prinzipien ihrer Existenz festgelegt und gelöbnishaft verpflichtet, sondern nur zu dem sich stets erneuernden Bewusstsein der fortwährend und fortschreitend zu vollbringenden Aufgabe ihrer Selbstverwirklichung aufgerufen und ermutigt werden. Daher müssen die Prinzipien einer christlich-modernen Gesellschaft dynamisch-rhythmische Ausstrahlungskraft besitzen.“              

Hier ergibt sich nun auch eine Antwort auf die offene Frage, ob die Weihnachtstagungsgesellschaft ein Verein oder eine Gesellschaft ist, und ob sie hätte in das schweizerische Handelsregister (die Schweiz kennt kein Vereinsregister) eingetragen werden sollen. Sie im schweizerischen Wirtschaftsregister einzutragen ist weder sinnvoll noch nötig gewesen. Sie kann als freie Gesellschaft durch Menschen, in deren Herzen der Weihnachtstagungsimpuls fortlebt und gepflegt wird, jederzeit neubelebt werden.

III

Was nun die weitere offene Frage der „einheitlichen Konstituierung“ betrifft, ist es so, dass Rudolf Steiner im zweiten Teil seiner Aussage am 27. Dezember 1923 über die Aufgabe des Vorstands sagt, dass die Schaffung der „entsprechenden Relation auf Vorstandsebene“ zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und „organisch aktive“ Vereinigungen, wie dem Goetheanum Bauverein nur, dies wurde betont, auf realem Bodem des Gründungsstatut zu verwirklichen sei. Hier handelt es sich um die Bildung der horizontalen Linie dieses Kreuzes der Weihnachtstagung, die Transsubstantiation des Physischen, der Erde.

Doch seit ihrer Entstehung wurden leider 9 von den 15 Paragraphen des Gründungsstatuts statt verwirklicht, teils unverstanden, unverwirklicht oder außer Funktion gesetzt. Im Jahre 2018 in meinen Antrag „Über Trümmern Vertrauen – Zum Wiedergewinn des realen Bodens worauf wir bauen können“, 2019 in „Zur Befreiung vom gemischten König am Goetheanum  und Reetablierung der Anthroposophischen Gesellschaft“, 2020 in „Das neue Christentum wollend in Liebe der Welt verbinden zur Gesundung von Mensch und Erde“, 2021 per Video in „Zur Wiederherstellung und Verwirklichung der Statuten der Anthroposophischen Gesellschaft im Hinblick auf die Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung im Jahre 2023“ und letztlich 2022 – gestützt auf das Kapitel „Der stufenweise Verlust der sozialästhetischen Qualifizierung in der anthroposophischen Gesellschaft“ im zweiten Teil der Trilogie „Zur Tätigkeit von Herbert Witzenmann im Vorstand am Goetheanumvon Reto Andrea Savoldellihabe ich diesen Niedergang  aus eigener Beobachtung dargestellt. (Savoldelli hat dieses Kapitel bei Herausgabe seiner Schrift “Prinzipien vs Statuten – ein Verwirrspiel als Prüfstein der anthroposophischen Gesellschaft“ [SeminarVerlag, Basel 2022] gründlich überarbeitet. Die Darstellung enthält  u.a. auch den lesenswerten Essay: „Zum 23.Juni 2022: ein Gedanken-protokoll aus Anlass der Beendigung einer Expertenkommission über Konstitutionsfragen der Anthroposophische Gesellschaft“).

Auch in meinen Brief an das Kolloquium habe ich auf den Kollaps des realen Bodens der Weihnachtstagung hingewiesen und wie er wiederhergestellt werden könnte. Das Arbeits-papier der Konstitutionsgruppe enthält nichts davon, und in der Broschüre, welche den neuen Mitgliedern beim Eintritt in die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft ausgehändigt wird, steht schon seit Jahrzehnten unter Paragraph 2 der Statuten: „Die Gesellschaft verfolgt ihre Aufgaben und Ziele nach dem ihr von Rudolf Steiner vorgeschlagenen und bei der Gründungsversammlung am 28. Dezember 1923 von den Mitgliedern einstimmig angenommenen Gründungs-Statuten“. Da die Mehrzahl dieser Statuten außer Kraft gesetzt wurde, ist dies eine objektive Unwahrheit.  Auch wird nicht darauf hingewiesen, dass nicht die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, sondern bei der Weihnachtstagung die Anthroposophische Gesellschaft neu begründet wurde. Es ist höchste Zeit, diesen gemischten König zu entthronen.

 

KONKLUSION

Aus dem Vorangehenden erscheint die wichtigste Konstitutionsfrage nicht als diejenige, welche das Arbeitspapier behandelt: nämlich das ungelöste Verhältnis zwischen der Weihnachtstagungsgesellschaft und dem in "Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft" umbenannten Goetheanum Bauverein.  Herbert Witzenmann schreibt in seiner letzten Sozialästhetischen Studie „Der Urgedanke – Rudolf Steiners Zivilisationsprinzip und die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft“, dass es sich dabei um lediglich provisorische Anpassungsmaßnahmen an gesetzliche Verordnungen gehandelt habe, die Rudolf Steiner - hätte er weiter gelebt - verbessert hätte, und die „das Urbild moderner Sozialgestaltung ist, ohne dass wir die Zukunft nicht bestehen werden“ nicht berühren - Nein, diese Anpassungen als die Hauptsache der Konstitutionsfrage zu betrachten, führt vom Wesentlichen ab. Die eigentliche Hauptfrage lautet, was denn dieses vollständige Bild desjenigen, was laut Rudolf Steiner der Vorstand jemals tun würde, sei und was dem Vorstand und damit auch selbst ihm als freie Selbstverpflichtung übergeordnet ist. Er sagte: „denn man weiß, was man an dem Vorstand hat, man hat die Statuten“.

Gewiss, man kann die Zeit nicht zurückdrehen, aber wenn behauptet wird, dass es nur unter und mit Rudolf Steiner möglich war, die Statuten zu realisieren, wird er künstlich auf einen Sockel gehoben, wo er selber gar nicht stehen möchte, ja man verhindert dadurch die mögliche Weiterverwirklichung des von ihm inaugurierten Zivilisationsprinzips des neuen Christentums und fällt hinter dem, was er am 1. Januar 1924 über die Weihnachtstagung sagte, weit zurück: dass es sich um einen Welten-Zeiten-Wende-Anfang gehandelt habe, etwas, was Herbert Witzenmann  in seiner grandiosen Einführung zum Buch "Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums" von Rudolf Steiner als zeitgemäße Metamorphose der urchristlichen Glaubensgemeinde hin zu einer Erkenntnisgemeinschaft des neuen Christentums erläutert hat. Ohne die Wiederherstellung der vertikalen Linie der Weihnachtstagung als der reale Boden, worauf die „entsprechende Relation“ als die horizontale Linie zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und „aktiv arbeitenden“ anthroposophischen Organisationen gebildet werden kann, gleicht man einem im luftleeren Raum operierenden umgekehrten Baron Münchhausen.

Um dies zu verhindern, habe ich mich bemüht, diese sicher ergänzungsbedürftigen Zeilen zu schreiben und zu begründen versucht, dass - obwohl viel gearbeitet wurde -  die Konstitutionsgruppe den Weg noch nicht frei gemacht hat für einen breit getragenen Zukunftsgriff zu einer würdigen und wahrhaftigen Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung als die Rechtsform des neuen Christentums, und dass man deshalb das Thema nicht ad acta legen kann.


NACHWORT

Der Antrag wurde, obwohl er fristgemäß eine Woche vor der Generalversammlung am 23. April beim Vorstandssekretariat eingereicht wurde, nicht publiziert. Darauf angesprochen am Anfang der Generalversammlung antworte Justus Wittich, dass dafür die Zeit fehlte, obwohl das anscheinend nicht gold für ein am 26. April eingereichter Antrag zum selben Traktandenpunkt.  Der Vorstand hat den Traktandenpunkt der Tagesordnung, auf dem der Antrag sich bezog, gestrichen, so dass eine Abstimmung gar nicht mehr möglich war, außerdem wurde es mir bei der Darstellung (wieder) durch den Versammlungsleiter Justus Wittich unmöglich gemacht den ganzen Antrag vorzustellen, aber er stimmte mir am Podium immerhin zu, dass die zwei offenen Fragen eben nicht niedergelegt werden könnten. Was für Konsequenzen diese (persönliche?) Zustimmung nun habe, ist noch die Frage; in der Berichterstattung über die Generalversammlung in "Anthroposophie Weltweit" Nr. 5 wurde nichts davon gemeldet, nur das ich eben einen Zusatzantrag "Das Kreuz der Weihnachtstagung ist die Rechtsform des neuen Christentums" dargestellt habe. Erfreulich aber ist, dass in derselben Nummer von AWW im Forum mein Bericht "Gralsgemeinschaft" publiziert wurde mit einem Link zu diesem Antrag. (Geschrieben am 29. April, 2023)

Rechteck

[1] Diese Schriften von Herbert Witzenmann sind: "Die Prinzipien der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft als Lebensgrundlage und Schulungsweg", "Gestalten oder Verwalten – Rudolf Steiners Sozialorganik/ Ein neues Zivilisationsprinzip", „Idee und Wirklichkeit einer Freien Hochschule“ und "Der Urgedanke – Rudolf Steiners Zivilisationsprinzip und die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft" sowie seinen Aufsatz "Die Prinzipien Rudolf Steiner in ihrer spirituellen und sozialen Bedeutung".  Mit Prinzipien sind hier das Gründungs-Statut gemeint, denn so wurden früher die 15 Statuten der Weihnachtstagung bezeichnet.

Tuesday, March 21, 2023

DAS KREUZ DER WEIHNACHTSTAGUNG – Die Anthroposophische Gesellschaft als die Form des neuen Christentums: Brief vom 25. August 2021 an die Mitglieder des Konstitution-Kolloquiums:


Liebe Kollegen und Kolleginnen,

I

Es sind zwei Angelegenheiten, die ich als nicht-Deutsch Sprechender Ihnen im Sinne der immanenten, aber sicher ergänzungsbedürftigen Kritik vorlegen möchte, etwas was ich angekündigt habe beim letzten Treffen:

1. Die unsachgemäße Behandlung durch Justus Wittich meines Anliegens an die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 2021 und das bis jetzt nicht Nachkommen des Versprechens vom Vorstand diese Sache im Kolloquium auszuarbeiten;

2. Die unbegründete Abweisung meines Vorschlags das ungeeignete Motto der Konstitutionschronik zu ersetzten. 

An der Generalversammlung 2021 wurde vom Versammlungsleiter Justus Wittich gesagt, dass ich, „wie jedes Jahr“, einen Antrag gestellt habe, der er als folgt vorgelesen hat:

„Zur zeit- und geistgemäßen Wiederherstellung der Form, welche die anthroposophische Bewegung oder das neue, wahre Christentum zu ihrer Pflege auf Erde braucht als Vorbereitung für das nächste, sechste Kulturzeitalter möge die Generalversammlung dem Vorstand empfehlen einen gesamtgesellschaftlichen Prozess der erforderlichen Bewusstseinsbildung und sozialorganischen Gestaltung zu initiieren und zu unterstützen, welcher im Rahmen der Jahrhundertfeier 2023  zur Entflechtung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in drei Unterabteilungen führen soll, nämlich die Anthroposophische Gesellschaft als solche, deren Verwaltung, die Administration des Goetheanum-Baues [und der Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum].[1]

Da die Form der Landesgesellschaften der Konstitution der Anthroposophischen Gesellschaft nicht widersprechen darf, möge die Generalversammlung ebenfalls beschließen sie anzuregen, ihre Konstitution auch, wo nötig, in einem Gefäß zu verändern, dergestalt wie sie die anthroposophische Bewegung oder das neue Christentum zu ihrer Pflege braucht.“

Danach sagte er wörtlich: „Herr Kelder empfehlt der Generalversammlung das und das zu empfehlen, das nehmen wir sowieso an, weil wir in der Konstitutionsgruppe dabei sind diese Frage auszuarbeiten und mit den Mitglieder in der Gesellschaftsgestaltung einzugehen, aber die Frage ist, ob sie [also die GV] ins Gespräch kommen wollen, zur Abstimmung, weil Herr Kelder ein Beschluss herbeibringen will, dem Vorstand das und das zu empfehlen und zu fördern.“ Nachdem seine Frage an die Generalversammlung, ob sie diesen Antrag behandeln will, mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, sagte er: „Ich möchte Herrn Kelder berichten, wir sind dies zu unterstützen als Vorstand sehr einig, aber als Beschluss der Generalversammlung zur Unterstützung, das ist keine, als eigentlich Anliegen, aber kein Antrag.“

 Nun ist das Unsachgemäße daran, dass Justus Wittich, aus Versehen oder was auch immer, verschwiegen hat, dass ich eben ein Anliegen und gar keinen Antrag gestellt habe und damit auch keinen Beschluss der Generalversammlung herbeibringen wollte, sondern eine Debatte. Dasjenige was vom ihm als Versammlungsleiter vorgelesen wurde war also nicht mein Anliegen, sondern den Wortlaut meines Antrags an die GV von 2020 „Das neue Christentum wollend in Liebe der Welt verbinden zur Gesundung von Mensch und Erde“, der unter seine Versammlungsleitung durch ein Nicht-Eintretens-Antrag sofort vom Tisch gewischt wurde. Um dies zu vermeiden, habe ich diesmal keinen Antrag, sondern eben ein Anliegen gestellt, worüber es im Paragraph 8 der Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft heißt: „Anliegen, die geistige Ziele und Aufgaben der Gesellschaft betreffen, werden nur in freier Aussprache behandelt. Eine Abstimmung darüber findet nicht statt.“     

 Mein per Video mit einer Vorbemerkung und 12 Punkte begründetes Anliegen an die Generalversammlung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft vom 27. Marz lautete, unter dem Titel „Zur Wiederherstellung und Verwirklichung der Statuten der Anthroposophischen Gesellschaft im Hinblick auf die Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung im Jahre 2023“ und mit dem Motto:Was die Satzung von Manu war für das Alt-Indische Volk und das Gesetz von Moses für das Israelitische Volk, das waren die Statuten Rudolf Steiners zur Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft für das Neue Christentum des 6. Kulturzeitalters“ wie folgt:

 „Die Generalversammlung bittet den Vorstand  zu prüfen, ob die oben dargestellte Vorgehensweise um die an der Weihnachtstagung 1923 beabsichtigte, aber seitdem ernsthaft beschädigte und verlassene Form für die Pflege der anthroposophischen Bewegung als das neue Christentum im Hinblick auf die Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung im Jahre 2023 zeit- und geistgemäss wieder herzustellen und zu verwirklichen auch rechtlich durchführbar ist und falls ja, dies innerhalb von 6 Monaten der Mitgliedschaft bekannt zu machen. Falls dies nicht möglich sei, möge der Vorstand angeben, wie es dann wohl möglich ist.“

 Um zu erklären, worauf „die oben dargestellte Vorgehensweise“ in dem Wortlaut  des Anliegens deutet, habe ich in der Vorbemerkung dieses Anliegens den Antrag von 2020 wiedergegeben, der dann von Justus Wittich vorgelesen wurde, wodurch dann diese heillose Verwirrung über eine im Grunde heilige Sache stattgefunden hat. Aber immerhin, mein Anliegen als Empfehlung wurde, obwohl nicht von der Generalversammlung, vom Vorstand angenommen und soll demnach in unsere Konstitutionsgruppe ausgearbeitet werden. 

II 

Wie es nun weiter ging, oder eben nicht, ist zunächst den zwei unterstehenden Briefen zu entnehmen. Der erste an Herrn Wittich war vom 28. Januar, 2021 mit der Bitte ihn an die Mitglieder des Kolloquiums verteilen (was glaube ich nicht geschah):

„Danke für die Einladung mit der Beilage ‚Chronologie der Konstitution Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft‘. Was mich aber sehr verwundert hat, ist die Wahl des Zitats von Rudolf Steiner aus 1917, also bevor der Weihnachtstagung, über die zog. Gleichgültigkeit der Statuten. Denn was sagte er damals am 27. Dezember 1923 während der Debatte über die Statuten?  Der Zentralvorstand wird als seine Aufgabe lediglich die Realisierung der Statuten zu betrachten haben; er wird alles ‚zu tun haben, was in der Richtung der Realisierung der Statuten liegt. Und damit ist eine grosse Freiheit gegeben. Aber zugleich weiss man auch, was man an diesem Zentralvorstand hat, denn man hat die Statuten und kann aus ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem, was er jemals tun wird." (GA 260, S. 102). In allen meinen drei Anträge aus den Jahren 2018, 2019 und 2020 (http://willehalm-stiftung.blogspot.nl) und auch  schon vorher, habe ich auf diese Stelle Aufmerksam gemacht, und auf dem Satz, womit Rudolf Steiner seinen Bericht am 13. Januar 1924 an die Mitglieder über die Weihnachtstagung eröffnet:  ‚Der Anthroposophische Gesellschaft eine Form zu geben, wie sie de anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege braucht, das war mit der eben beendeten Weihnachtstagung am Goetheanum beabsichtigt.‘ (GA 260a, S. 27). Dies stellt das Thema Statut in ein ganz anderes Licht. Insbesondere, wenn man sich realisiert, dass, wie Reto Andrea Savoldelli in seiner "Trilogie über die Tätigkeit von Herbert Witzenmann im Vorstand am Goetheanum" gezeigt hat (www.das-seminar.ch), dass 9 von den 15 Statuten nicht mehr gültig sind und ich eben in meinen Anträge einen Weg versucht habe zu begründen, wie diese geist- und zeitgemäss wiederherzustellen sind.

Sie haben bei der Behandlung meines letzten Antrags am 31. Oktober [2020] gesagt, dass Sie bzw. der Vorstand diese Empfehlung angenommen hat, also darf ich wohl erwarten, dass nun daran auch Konsequenzen daraus gezogen werden. Ich schlage also mindestens jetzt vor das jetzige mit dem obigen Zitat zu ersetzen, und mir weiter zu sagen, ob Sie bzw. der Vorstand einverstanden sind oder eben nicht mit der Entflechtung der AAG, wie ich dies in meinem Antrag vorgestellt habe. Ich hoffe schon Samstag schon etwas darüber zu hören.“

 Als darüber nichts zu vernehmen war und ich selber nicht zu Wort kommen konnte schrieb ich Herrn Wittich am 8. Juni einen zweiten Brief mit zwei Beilagen: mein Anliegen und den Aufsatz von Reto Andrea Savoldelli „Der Verlust der sozialästhetischen Qualifizierung in der anthroposophischen Gesellschaft“[2] (siehe Beilage), wo ich nochmals den etwas tiefer begründeten Vorschlag machte, das heutige, teilweise irreführendes Motto der Chronik zu ersetzen, frug um eine Gelegenheit dies darzustellen und um wiederum diesen Brief an Sie, Mitlieder des Kolloquiums zu verteilen. Hier also den 2. Brief: 

„Heute steht als Motto der Chronologie der Konstitution  der Anthroposophischen Gesellschaft:  ‚Meine lieben Freunde, für die anthroposophische Bewegung ist es höchst gleichgültig, ob sie diese oder jene Statuten hat, ob sie diesen oder jenen Namen trägt, aber für die anthroposophische Bewegung ist es von allergrößtem, von dem denkbar größten Werte, wenn sie wertvolle Mitglieder hat, die aus vollem Herzen und aus vollem Verständnis heraus überall da, wo sie können, wo es in ihrer Macht und in ihrem Karma liegt, in die gegenwärtigen Kulturströmungen eingreifen.‘

Wichtig ist, dass Rudolf Steiner dies in einem Diskussionsbeitrag auf der 5. Generalversammlung des Johannes-Bauvereins am 21. Oktober 1917 gesagt hat, also vor der Weihnachtstagung 1923 zur Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Aus dem was er da während der Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923 gesagt hat, geht nämlich keinesfalls hervor, dass es der anthroposophischen Bewegung ‚höchst gleichgültig ist, ob sie diese oder jene Statuten hat‘.  Denn das Erste was er schrieb im Nachrichtenblatt am 13. Januar 1924 war: ‚Der Anthroposophischen Gesellschaft eine Form zu geben, wie sie die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege braucht, das war mit der eben beendeten Weihnachtstagung am Goetheanum beabsichtigt.‘ Und in dem Karmavortrag vom 18. Juli 1924 zu Arnheim beschrieb er den Inhalt dieser vom Michael und die seinen in der geistigen Welt imitierte anthroposophischer Bewegung als ‚das neue Christentum‘, welche also die dort anwesende anthroposophische Seelen vorbestimmt waren mittels eben dieser während der Weihnachtstagung beabsichtigten Form auf Erde zu pflegen.

Ich stelle also [nochmals] vor, das heutige Motto zu ersetzen durch dasjenige was Rudolf Steiner in der Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923 auf der Weihnachtstagung sagte: ‚Der Zentralvorstand wird als seine Aufgabe lediglich die Realisierung der Statuten zu betrachten haben; er wird alles zu tun haben was in der Richtung der Realisierung der Statuten liegt. Und damit ist eine grosse Freiheit gegeben. Aber zugleich weiß man auch was man an diesem Zentralvorstande hat, denn man hat die Statuten und kann aus ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem was er jemals tun wird. Dadurch ist auch die Möglichkeit geschaffen überall auf realem Boden zu stehen, wo solche Vereinigungen entstehen, wie zum Beispiel der Goetheanum-Bauverein. Und es wird in den nächsten Tagen die Aufgabe sein, zwischen dem Vorstand, der sich gebildet hat, die entsprechende Relation zu bilden.‘

Dieses Motto stellt uns ein zweifache Zielsetzung vor Auge, die es zu verwirklichen gilt. Erstens, wie ich in meinem Anliegen an die Generalversammlung vom 27. März dargestellt habe: die zeitgemässe Wiederherstellung und Realisierung der Statuten der Weihnachtstagung, denn 9 von den 15 Statuten sind nicht mehr in Funktion (Reto Andrea Savoldelli, Kapitel ‚Der stufenweise Verlust der sozialästhetischen Qualifizierung in der anthroposophischen Gesellschaft‘ aus Teil II seiner Trilogie ‚Zur Tätigkeit von Herbert Witzenmann im Vorstand am Goetheanum‘).  Und zweitens, die Bildung der ‚einheitlichen Konstituierung‘ durch die ‚entsprechende Relation‘ auf Vorstandsebene zwischen der zu erneuernden Anthroposophischen Gesellschaft und heute ‚organisch wirksame‘ Organisationen, denn dies war das Kriterium das Rudolf Steiner damals benütze für die Aufnahme der Unterabteilungen in die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft.“

Nun, beide Bitten wurden auch nicht honoriert, auf jeden Fall, bekam ich keine Reaktionen. Ich habe beim letzten und vorletzten Treffen mit einiger Mühe  versucht meinen Vorschlag zur Ersetzung des Mottos darzustellen und gesagt, dass das Colloquium, im Widerspruch zum Motto der Chronologie, sich uferlos über die Namensfrage unterhalten hat, ob wohl es doch schon längst deutlich ist, dass der offizielle Name der Weihnachtstagung „anthroposophische Gesellschaft“ ist, aber auch von Rudolf Steiner A/allgemeine A/anthroposophische Gesellschaft benutzt wurde; Name ist eben „Schall und Rauch“, und dass es in erster Linie darum ginge zu verstehen, was Rudolf Steiner mit der Weihnachtstagung wesentlich intendiert hat und dass man nicht vom „gemischten König“ ausgehen und ihm nicht mit einer Lückenlosen Chronologie inthronisieren sollte, also dass es in geisteswissenschaftlicher Forschungsarbeit nicht, wie in der Naturwissenschaft, um das Seiende, sondern über das  Sein-Sollende geht, wobei das Seiende eine notwendige, aber untergeordnete Rolle zukommt. Ferner sagte ich, das was im Motto über Statuten steht nicht einfach übertragen werden darf auf die Weihnachtstagungsstatuten im Hinblick auf das was Rudolf Steiner z.B. bei und nach der Weihnachtstagung darüber gesagt hat und eben Herbert Witzenmann darüber wesentlich vertieft hat. (Ich hätte noch sagen können, dass der Vorstand auch das Anliegen von Eugen Meier zur Rehabilitation des Lebenswerkes von Herbert Witzenmann angenommen hat, wovon aber auch bis jetzt Nichts vernommen wurde.) Mein Vorschlag wurde ohne wirkliche Diskussion und Begründung, wie ich es bei den Generalversammlungen leider gewohnt bin, einfach vom Tisch gewischt. Nur C.M. und M. M. haben sich in persönlichen Emails zu meinem Vorschlag geäußert.

Ersterer indem er etwa schrieb, dass das von mir vorgestellte Motto nur den Vorstand angeht und nicht den Mitgliedern, und dass es darum ginge ein Motto oder Leitbild zu finden, dass eben alle inspirieren kann, wie es heißt in Motto „die aus vollem Herzen und aus vollem Verständnis heraus überall da, wo sie können, wo es in ihrer Macht und in ihrem Karma liegt, in die gegenwärtigen Kulturströmungen eingreifen.“ (Auf die von mir erwähnten Widersprüche zwischen dem Motto und der Vorgehensweise der Konstitutionsgruppe ging er nicht ein.)

Nun, mit diesen Einwände übersieht Moritz, dass es zwar Aufgabe des Vorstands ist, die Statuten zu realisieren, aber dass dies nur durch dasjenige erreicht werden kann, was dem vormaligen Vorstandsmitglied und Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion Herbert Witzenmann in seiner sozialästhetischen Studie Gestalten oder Verwalten oder Gestalten – Rudolf Steiners Sozialorganik/ Ein neues Zivilisationsprinzip das Gegenstromprinzip nennt, d. h. dass aus der Begegnung der Initiative vom Vorstand und Anträge der Mitglieder eine gemeinsame ätherische Bewusstseinsschale entstehe, worin höhere Wesenheiten sich inkorporieren können. Daraus kann dann ein Reich der Übernatur gebildet werden als Basis für die Auseinandersetzung mit und Bekämpfung der Unternatur, wie dies Rudolf Steiner in seinem letzten Aufsatz „Von der Natur zur Unternatur“ uns als Vermächtnis hinterlassen hat.

Nach M. M., und er ist da nicht allein, da er im Wesentlichen die Geschichtspunkten der Rudolf Steiner Nachlassvereinigung (jetzt Stiftung) vertritt[3],  ist dies alles leider eine große Illusion, denn nach der Weihnachtstagung 1925 gäbe es keine anthroposophische Gesellschaft mehr und nachdem Rudolf Steiner gestorben ist, gäbe es niemanden mehr, der in der Lage war die spirituelle Kontinuität der Hochschule fortzusetzen. Man kann, nach M.M., nur von der heutigen Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft ausgehen. Er übersieht erstens, dass Paragraph 2 deren Statuten heißt: „Die Gesellschaft verfolgt ihre Ausgaben und Ziele nach dem ihr von Rudolf Steiner vorgeschlagenen en bei der Gründungsversammlung am 28. Dezember 1923 von den Mitgliedern einstimmig angenommen Gründungs-Statut.“ Nach Meeussen war Wilfried Heidt der erste, der auf die Verwechselung der Anthroposophischen Gesellschaft als Weihnachtstagungsgesellschaft und die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft als umbenannter Goetheanumbauverein hingewiesen hat, wie es auch in diesem 2. Paragraph noch immer zum Ausdruck kommt, etwas was aber leicht korrigiert werden kann. Er sieht, wenn ich ihm richtig verstehe, in das nicht anerkennen dieser Verwechselung das Konstitutionsproblem, aber die Verwechselung ist zunächst nichts mehr als eine Tatsache; wie es zu lösen ist, das ist die Frage.  

Er übersieht, zweitens, ein wirkliches Problem, nämlich dass, wie Savoldelli in seinem Aufsatz eben überzeugend dargestellt hat, dass 9 der 15 Gründungs-Statuten nicht mehr funktionsfähig sind, ausgeschaltet oder nicht begriffen, etwas das nicht nur in Dornach sondern in alle Anthroposophische Gesellschaften in ihren Satzungen nicht zum Ausdruck gebracht, nicht anerkannt wird. Da liegt leider die wirkliche Illusion, woran man aufwachen soll.

Drittens geht M.M. nicht wirklich auf den Vorschlag in meinem Anliegen ein, wie die Anthroposophische Gesellschaft der Weihnachtstagung als ein Teil der Entflechtung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft wiederbelebt, wie aus der Asche auferstehen kann. Ich habe das in den folgenden Punkten zur Begründung meines Anliegens dargestellt (siehe auch Fußnote 1 für die Art und Weise, wie die „einheitliche Konstituierung“ gebildet werde kann):

 8. Dass mit dem am 8. Februar 1925 in „Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft“ umbenannten Goetheanum-Bauverein oder an der Weihnachtstagung 1926 keine Fusion der Anthroposophischen Gesellschaft mit dem umbenannten Bauverein durchzog. „konkludentes Verhalten“ stattgefunden hat, wie dies in einem Urteil des Schweizerischen Gerichtshofs auf Grund von ungenügenden Urteilsgrundlagen im Jahre 2005 irrtümlich festgestellt wurde, denn dieser Begriff „konkludentes Verhalten“ kann nur angewendet werden, wenn beide Gesellschaftskörper eine Fusion bewusst wollen, was in diesem Fall nicht der Fall war.

9. Dass aber trotzdem vom Vorstand und der Mitgliedschaft über Jahrzehnte lang versucht wurde – obwohl in den dafür eigentlich juristisch ungeeigneten Rahmen der modifizierten Statuten des umbenannten Bauvereins – die Aufgaben und Ziele der Weihnachtstagungsgesellschaft weiter versucht zu verfolgen (Stichwort: gemischter König), wie auch im 2. Paragraphen der heutigen Statuten der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft zwar später festgelegt wurde, ohne dass aber dabei deutlich gemacht wird, dass am 28. Dezember 1923 nicht die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft gegründet, sondern die Anthroposophische Gesellschaft neugegründet wurde.

10. Dass diese Jahrzehntelange Pflege der Kultur der Weihnachtstagung, wie dies auch durch das Riemer-Gutachten festgestellt wurde, und wie ich auch aus eigener langjähriger Erfahrung in Dornach bestätigen kann, nach dem Prinzip des Gewohnheitsrechts eine Wirklichkeitsbildende Wirkung hat, und dass man aus diesem Grund tatsächlich von einer konkludenten Fusion der Anthroposophischen Gesellschaft und der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft sprechen kann.

11. Dass somit die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft auch die reale Möglichkeit hat diese Fusion im Sinne der von Rudolf Steiner erwünschten „einheitlichen Konstitution“ neu zu gestalten, d.h. zu gliedern, wo der Vorstand das verbindende Element zwischen den Gliedern darstellt, damit die Verwaltungsaufgaben außerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft ausgeführt werden können, und innerhalb dieser, auf Grund einer zeit-und geistgemässen Wiederherstellung des Gründungsstatuts, ein geistiger Freiraum einstehen kann für die Einwohnung des neuen Christentums für die Heilung von Mensch und Erde.

Zusammenfassung

Man kann das zweifache Konstitutionsproblem, wie es sich darstellt in dem vorgestellten Motto, in der Gestalt eines Kreuzes betrachten: deren vertikale Linie die Realisierung der Verbindung ist zwischen Himmel und Erde durch die Erschaffung einer gemeinsamen ätherischen Bewusstseinsschale für die Einverleibung des Neuen Christentums von Freiheit und Liebe, und deren horizontale Linie die sozialorganische weltweite Bildung der „entsprechenden Relation“ ist zwischen alle anthroposophische Gesellschaften und Organisationen, die als Unterabteilungen der neu zu etablieren Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft sich orientieren an dem Gründungs-Statut der Weihnachtstagung, die nach Rudolf Steiner ein Welten-Zeiten-Wende-Anfang ist.


[1] Diese 4. Abteilung würde später zugefügt. Es könnte aber in der Neugestaltung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft alle beliebige anthroposophische Organisationen z.B. die Ita Wegmanklinik, Weleda usw. als Unterabteilungen aufgenommen werden, die „organisch wirksam“ sind, d.h. sich auf das Urbild der Sozialgestaltung, das neue Zivilisationsprinzip, die Sozialorganik orientieren, das durch die Weihnachtstagung inauguriert wurde, wie das in den Sozialästhetischen Studien von Herbert Witzenmann dargestellt wurde und worauf ich mich in meine Anträge und Anliegen seit 2018 stütze. 

[2] Diesen Aufsatz habe ich auf English übersetzt unter dem Titel „The Gradual Loss of Social-Aesthetic Qualification in the Anthroposophical Society and How to Restore It”. Auf den angegebenen Link sind auch das Anliegen und die früheren Anträge auf Englisch zu lesen. Meine langjährigen Bemühungen in Holland diesbezüglich sind hier versammelt.

[3] Diese Auflassung der Rudolf Steiner Nachlassvereinigung kam vorab in der sog. „Bücherfrage“ aus dem späten 60er Jahre zum Ausdruck, deren Leiter mit Marie Steiner nicht einsehen könnten oder wollten, dass die Veröffentlichung des esoterisches Werkes von Rudolf Steiner ohne gleichzeitige Verinnerlichung durch die während der Weihnachtstagung inaugurierten Erkenntnisgesellschaft als Metamorphose der urchristlichen Glaubensgemeinte ein Verstoß gegen das neue Christentums war, wie dies Herbert Witzenmann in seiner Einleitung zum Buch Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums von Rudolf Steiner auf großartige Weise dargestellt hat.