VORBEMERKUNG
Die Generalversammlung soll nach dem 11. Traktandum 2 "Gestaltung des Gesamt-organismus der anthroposophischen Gesellschaft": A. Das Ergebnis der Konstitutions-Kolloquien (‹Chronologie des Konstitutions-Geschehens nach den Dokumenten›) einschließlich der offenen Fragen zur Kenntnis nehmen und damit das Thema niederlegen, und es soll zugleich B. einen offener Suchprozess nach einer angemessenen und aktualisierten Formgestalt des Gesamtorganismus der Anthroposophischen Gesellschaft eingeleitet werden, der spirituelle, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt.
ANTRAG [1]
Entgegen dem Versprechen in „Anthroposophie Weltweit“ Nr. 9/22, dass das Endergebnis mit ergänzenden Beiträgen aus dem Kreis der Teilnehmenden ab Oktober 2022 freigeschaltet werden soll, ist das bis jetzt (wir schreiben den 23. März) nicht geschehen. Auch wenn es demnächst noch freigeschaltet, oder an der Generalversammlung vorgelegt wird, ist das immerhin zu kurz um zich ein Urteil darüber zu bilden, ob nun das Thema niedergelegt werden soll oder nicht. Dem Arbeitspapier zur Vorlage bei der Generalversammlung 2022 aber ist zu entnehmen, dass die strikt juristische Arbeitsmethode an Hand von Fakten, Fakten und nur Fakten - also keine Interpretationen - nicht der völlig neuen Form der an der Weihnachtstagung neubegründeten Anthroposophischen Gesellschaft als ein spirituelles Zivilisationsprinzip des neuen Christentums gerecht wurde, nämlich die Sozialorganik, welche das heutige, zum Krieg aller gegen allen, zum Nichts and Selbstmord führende materialistische Zivilisationsprinzip ersetzen soll. Außerdem wurden diesbezüglich meine seit 2018 jährlich eingereichte Anträge an die Generalversammlung erst vom Tisch gewischt, wurde dann im Jahre 2021 einer Versprechung des Vorstands mein Anliegen in die Konstitutionsgruppe auszuarbeiten nicht nachgekommen und wurden meine methodischen und inhaltlichen Anregungen als Mitglied dieser Konstitutionsgruppe einfach ignoriert. Die Generalversammlung kann unter diesen Umständen das Ergebnis der Konstitutions-Kolloquien einschließlich der offenen Fragen gar nicht richtig zur Kenntnisnehmen und legt somit das Thema nicht nieder. Denn der Weg ist noch nicht frei, wie behauptet wird von Justus Wittich, für einen breit getragenen Zukunftsgriff.
________________________BEGRÜNDUNG
I
Über diese offenen Fragen hat
Justus Wittich in „Anthroposophie Weltweit“ 9/22 Folgendes geschrieben: „Keine
Einigung wurde gefunden über die Rechtsform der zu Weihnachten 1923/24
gegründeten Gesellschaft (Verein oder freie Vereinigung) und die Interpretation
von Rudolf Steiners erstem Versuch vom 29. Juni 1924, eine einheitliche
Konstitution für die bis dahin entstandenen Institutionen zu gestalten. Hier
gibt es beispielsweise im Stenogramm und im überlieferten Statutenentwurf des
Bauvereins eine rätselhafte Stelle, die zu zwei unterschiedlichen
Interpretationen führt: ob nämlich Rudolf Steiner mit
der zu Weihnachten 1923/24 gegründeten
Gesellschaft eine Eintragung ins Handelsregister beabsichtigte oder gerade
nicht.“ - Dadurch gibt
Justus Wittich deutlich zu erkennen, dass das vom Gerald Häfner, dem leitenden
Mitglied jenes Kolloquiums und Leiter der Sozialwissenschaftlichen Sektion
wiederholt betonte Mandat, die Chronologie der Konstitutionsgeschichte
ausschließlich unter formal-juristischen Geschichtspunkten zu erarbeiten, bei
den offenen Fragen in eine Sackgasse geführt hat. Denn dies ist eine
Vorgehensweise, wie man sie vorab aus der materialistischen Naturwissenschaft
her kennt, die jedoch innerhalb des geisteswissenschaftlichen Gebietes
ungeeignet ist, geschweige denn angesichts des spirituellen Weihnachtstagungsimpulses,
bei dem vom Ideell-Urbildlichen auszugehen ist, wobei dem Faktischen und
Juridischen eine untergeordnet darstellende Rolle zukommt, dass allein im
Hinblick auf das Urbildliche sachgemäß interpretiert werden kann.
Wenn man also feststellen möchte, „ob Rudolf Steiner mit der zu Weihnachten 1923/24 gegründeten Gesellschaft eine Eintragung ins Handelsregister beabsichtigte oder gerade nicht“, sollte man ihn selbst fragen, was er mit der Weihnachtstagung beabsichtigt hat. Diese Frage hat er im Nachrichtenblatt vom 13. Januar 1924 beantwortet, nämlich, dass mit der Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft eine Rechtsform hergestellt werden sollte, welche die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege bedarf. Wohlbemerkt, diese anthroposophische Bewegung charakterisierte er am 18. Juli 1924 in Arnheim inhaltlich als das neue Christentum, welches den am himmlischen Michaelkultus in der geistigen Welt beteiligten anthroposophischen Seelen vorbestimmt war, um im Aufbruch zur sechsten Kulturperiode unter der Menschheit eben in der beabsichtigten Rechtsform der Weihnachts-tagung das neue Erkenntnis-Christentum zu begründen. Inwiefern das für das verstehende Erleben dessen die "Philosophie der Freiheit" Rudolf Steiners die methodische Grundlage bildet, kann man unter dem Titel „Aufbruch zur VI. Kulturperiode“ in einer Ausgabe der gesammelten, frühen Aufsätze von Valentin Tomberg nachlesen. Und wenn Rudolf Steiner in seinem einzigen Vortrag über den Manichäismus am 11. November, 1904 in Berlin davon spricht, dass die äußere Organisationsform für das wahre Christentum der sechsten Kultur-epoche, „die Gemeinde, in der zuerst der christlichen Funke so recht Platz wird greifen können,“ schon jetzt in der heutigen fünften Epoche geschaffen werden muss, so kann man dies in dem von Rudolf Steiner stellvertretend für Mani geschaffenen Gründungs-Statuts der Weihnachtstagung erblicken. Dies hilft auch, zu verstehen, warum laut Rudolf Steiner die Aufgabe des Vorstands lediglich in der Verwirklichung dieser neuen Rechtsform besteht.
II
Nun habe ich in einem E-Mail
vom 25. August 2021 unter dem Titel „Das Kreuz der Weihnachtstagung – Die
Anthroposophische Gesellschaft als die Form des neuen Christentums“ den Mitgliedern des Konstitution-Kolloquiums
gegenüber erstens an die unsachgemäße Behandlung durch Justus Wittich meines an
der GV 2021 vorgebrachten Anliegens und an das bis jetzt nicht eingehaltene
Versprechen, diese Sache im Kolloquium auszuarbeiten, erinnert. Als nach meinen
mündlichen Hinweisen diesbezüglich auch keine Antwort kam, habe ich darauf mit
einem Antrag an die letztjährige Generalversammlung mit dem Titel „Das Kreuz der Weihnachtstagung - Zur
Nicht-Entlastung des Vorstands“ reagiert, der - wie bekannt sein mag - abgewiesen wurde.
Des Weiteren habe ich in diesem
Brief an das Kolloquium an die unbegründete Abweisung meines Vorschlags
erinnert, das ungeeignete Motto der Konstitutionschronik zu ersetzen. Als
Motto hatte man nämlich, bevor ich mich dieser Gruppe angeschlossen hatte, das
folgende Zitat von Rudolf Steiner gewählt: "Meine lieben
Freunde, für die anthroposophische Bewegung ist es höchst gleichgültig, ob sie
diese oder jene Statuten hat, ob sie diesen oder jenen Namen trägt, aber für
die anthroposophische Bewegung ist es von allergrößtem, von dem denkbar größten
Werte, wenn sie wertvolle Mitglieder hat, die aus vollem Herzen und aus vollem
Verständnis heraus überall da, wo sie können, wo es in ihrer Macht und in ihrem
Karma liegt, in die gegenwärtigen Kulturströmungen eingreifen.“ - Ich
zitiere aus meinem Brief: „Wichtig ist, dass Rudolf Steiner dies in einem
Diskussionsbeitrag auf der fünften Generalversammlung des Johannes-Bauvereins
am 21. Oktober 1917 gesagt hat, also vor der Weihnachtstagung 1923 zur
Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Aus dem, was er während der
Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923 sagte, geht aber keines-falls
hervor, dass es der anthroposophischen Bewegung "höchst gleichgültig ist,
ob sie diese oder jene Statuten hat." - Denn das Erste, was er
nach der Gründungstagung am 13. Januar 1924 im Nachrichtenblatt schrieb, war
[wie bereits erwähnt]: "Der Anthroposophischen Gesellschaft eine Form
zu geben, wie sie die anthroposophische Bewegung zu ihrer Pflege braucht, das
war mit der eben beendeten Weihnachtstagung am Goetheanum beabsichtigt."
„Ich stelle also (nochmals)
vor,“ [so geht der Brief weiter] „das heutige Motto zu ersetzen durch dasjenige,
was Rudolf Steiner in der Diskussion über die Statuten am 27. Dezember 1923
während der Weihnachtstagung sagte: "Der Zentralvorstand wird als seine
Aufgabe lediglich die Realisierung der Statuten zu betrachten haben; er wird
alles zu tun haben, was in der Richtung der Realisierung der Statuten liegt.
Und damit ist eine grosse Freiheit gegeben. Aber zugleich weiß man auch, was
man an diesem Zentralvorstande hat, denn man hat die Statuten und kann aus
ihnen ein vollständiges Bild gewinnen von dem, was er jemals tun wird. Dadurch
ist auch die Möglichkeit geschaffen, überall auf realem Boden zu stehen, wo
solche Vereinigungen entstehen, wie zum Beispiel der Goetheanum-Bauverein. Und
es wird in den nächsten Tagen die Aufgabe sein, zwischen dem Vorstand, der sich
gebildet hat, die entsprechende Relation zu bilden.‘“
Wie ich nun weiter in diesem Brief und in meinem Antrag vom 2022 dargestellt habe, handelt es sich hier bei der Verwirklichung der allumfassenden Freiheitsstatuten um die vertikale Linie des Kreuzes der Weihnachtstagung, d.h. die Inkarnation des Geistes, die Verbindung zwischen Himmel und Erde durch die Erschaffung einer gemeinsamen ätherischen Bewusstseinsschale für die Aufnahme des neuen Erkenntnis-Christentums von Freiheit und Liebe. Dass nun die Verwirklichung der Statuten in Prinzip auch ohne die physische Anwesenheit Rudolf Steiner möglich ist, zeigt erstens die Tatsache, dass er die Statuten über den Vorstand stellt. Dass dies aber auch tatsächlich jederzeit und überall möglich ist durch den sogenannten "umgekehrten Kultus" und das Gegenstromprinzip zwischen dem Vorstand (Zentrum) und der Mitgliedschaft (Peripherie), hat das ehemalige Vorstandsmitglied Herbert Witzenmann in seinen „Sozialästhetischen Studien – Arbeitsmaterialien zur Spiritualisierung des Zivilisationsprinzip [1] gezeigt, in denen er sich zu jenem "vollständigen Bild" äußert, von dem Rudolf Steiner als demjenigen gesprochen hat, was der Vorstand je tun wird. So schreibt Witzenmann z.B. in seiner ersten Studie „Die Prinzipien der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft als Lebensgrundlage und Schulungsweg"(auf S. 13 ff.) : „Eine freie Gemeinschaft kann keine ‚juristische Person‘, kein personifiziertes Organisationssystem sein. Sie kann sich nur als die überpersönliche Realität eines gemeinsamen freien Bewusstseins bekunden, wie es sich in einer Erkenntnis- Gemeinschaft zu bilden vermag, die sich eines Erlebnisspielraums zwischen Geistes- und Sinnenwelt bewusst ist. 'Überpersönlich' bedeutet hierbei nicht die Auslöschung individueller Bewusstheit und Selbstständigkeit in einer Realität anderer Art, sondern das gemeinsame Bewusst-sein im gleichen Erkenntnisstreben Vereinter, welche des Anwesendwerden eines zwar gleichen, doch nur in individuellen Akten erfahrbaren, universellen Geistigen innewerden, wie dies in jedem individuell betätigten Erleben eines geistigen Inhalts erfahren wird.
Eine solche Einheit des Esoterischen und Exoterischen, des Universellen und des Individuellen, die durch eine rhythmische Mitte, ein schlagendes Herz, einen strömenden Atem, verbunden ist, kann ihre volle Wirklichkeit in einer Gemeinschaft erst seit der Begrün-dung des Christentums finden. Denn erst durch die Veröffentlichung der Mysterien- geheimnisse von der Inkarnation des Geistigen und Transsubstantiation de Physischen in einem gottmenschlichen Lebenslauf ist es möglich geworden, das Inneres und Äusseres, Mysterium und Öffentlichkeit Offenbarungen des gleichen Wesens sind. Daher ist jede moderne Gemeinschaft, die sich in freier, individueller Wachheit den Stil ihrer äusseren Erscheinung erbildet, eine christliche. Sie kann nicht programmatische oder dogmatisch auf Prinzipien ihrer Existenz festgelegt und gelöbnishaft verpflichtet, sondern nur zu dem sich stets erneuernden Bewusstsein der fortwährend und fortschreitend zu vollbringenden Aufgabe ihrer Selbstverwirklichung aufgerufen und ermutigt werden. Daher müssen die Prinzipien einer christlich-modernen Gesellschaft dynamisch-rhythmische Ausstrahlungskraft besitzen.“
Hier ergibt sich nun auch eine Antwort auf die offene Frage, ob die Weihnachtstagungsgesellschaft ein Verein oder eine Gesellschaft ist, und ob sie hätte in das schweizerische Handelsregister (die Schweiz kennt kein Vereinsregister) eingetragen werden sollen. Sie im schweizerischen Wirtschaftsregister einzutragen ist weder sinnvoll noch nötig gewesen. Sie kann als freie Gesellschaft durch Menschen, in deren Herzen der Weihnachtstagungsimpuls fortlebt und gepflegt wird, jederzeit neubelebt werden.
III
Was nun die weitere offene
Frage der „einheitlichen Konstituierung“ betrifft, ist es so, dass Rudolf
Steiner im zweiten Teil seiner Aussage am 27. Dezember 1923 über die Aufgabe
des Vorstands sagt, dass die Schaffung der „entsprechenden Relation auf
Vorstandsebene“ zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und „organisch
aktive“ Vereinigungen, wie dem Goetheanum Bauverein nur, dies wurde betont,
auf realem Bodem des Gründungsstatut zu verwirklichen sei. Hier handelt es sich
um die Bildung der horizontalen Linie dieses Kreuzes der Weihnachtstagung, die
Transsubstantiation des Physischen, der Erde.
Doch seit ihrer Entstehung
wurden leider 9 von den 15 Paragraphen des Gründungsstatuts statt verwirklicht,
teils unverstanden, unverwirklicht oder außer Funktion gesetzt. Im Jahre 2018
in meinen Antrag „Über Trümmern Vertrauen – Zum
Wiedergewinn des realen Bodens worauf wir bauen können“, 2019 in „Zur Befreiung vom gemischten König am
Goetheanum und Reetablierung der
Anthroposophischen Gesellschaft“, 2020 in „Das neue Christentum wollend in Liebe der
Welt verbinden zur Gesundung von Mensch und Erde“, 2021 per Video in „Zur Wiederherstellung und Verwirklichung
der Statuten der Anthroposophischen Gesellschaft im Hinblick auf die
Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung im Jahre 2023“ und letztlich 2022 – gestützt auf das Kapitel „Der
stufenweise Verlust der sozialästhetischen Qualifizierung in der
anthroposophischen Gesellschaft“ im zweiten Teil der Trilogie „Zur Tätigkeit von Herbert Witzenmann im
Vorstand am Goetheanum” von Reto Andrea
Savoldelli
– habe ich diesen Niedergang aus eigener Beobachtung dargestellt.
(Savoldelli hat dieses Kapitel bei Herausgabe seiner Schrift “Prinzipien vs Statuten – ein Verwirrspiel
als Prüfstein der anthroposophischen Gesellschaft“ [SeminarVerlag, Basel 2022] gründlich überarbeitet.
Die Darstellung enthält u.a. auch den
lesenswerten Essay: „Zum 23.Juni 2022: ein Gedanken-protokoll aus Anlass der
Beendigung einer Expertenkommission über Konstitutionsfragen der
Anthroposophische Gesellschaft“).
Auch in meinen Brief an das
Kolloquium habe ich auf den Kollaps des realen Bodens der Weihnachtstagung
hingewiesen und wie er wiederhergestellt werden könnte. Das Arbeits-papier der
Konstitutionsgruppe enthält nichts davon, und in der Broschüre, welche den neuen Mitgliedern beim Eintritt in die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft
ausgehändigt wird, steht schon seit Jahrzehnten unter Paragraph 2 der Statuten:
„Die Gesellschaft verfolgt ihre Aufgaben und Ziele nach dem ihr von Rudolf
Steiner vorgeschlagenen und bei der Gründungsversammlung
am 28. Dezember 1923 von den Mitgliedern einstimmig angenommenen
Gründungs-Statuten“. Da die Mehrzahl dieser Statuten außer Kraft gesetzt
wurde, ist dies eine objektive Unwahrheit.
Auch wird nicht darauf hingewiesen, dass nicht die Allgemeine
Anthroposophische Gesellschaft, sondern bei der Weihnachtstagung die Anthroposophische
Gesellschaft neu begründet wurde. Es ist höchste Zeit, diesen gemischten König
zu entthronen.
KONKLUSION
Aus dem Vorangehenden erscheint
die wichtigste Konstitutionsfrage nicht als diejenige, welche das Arbeitspapier
behandelt: nämlich das ungelöste Verhältnis zwischen der
Weihnachtstagungsgesellschaft und dem in "Allgemeine Anthroposophische
Gesellschaft" umbenannten Goetheanum Bauverein. Herbert Witzenmann schreibt in seiner letzten
Sozialästhetischen Studie „Der Urgedanke – Rudolf Steiners
Zivilisationsprinzip und die Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft“, dass es sich dabei um lediglich provisorische
Anpassungsmaßnahmen an gesetzliche Verordnungen gehandelt habe, die Rudolf
Steiner - hätte er weiter gelebt - verbessert hätte, und die „das Urbild
moderner Sozialgestaltung ist, ohne dass wir die Zukunft nicht bestehen werden“
nicht berühren - Nein, diese Anpassungen als die Hauptsache der
Konstitutionsfrage zu betrachten, führt vom Wesentlichen ab. Die eigentliche Hauptfrage
lautet, was denn dieses vollständige Bild desjenigen, was laut Rudolf Steiner
der Vorstand jemals tun würde, sei und was dem Vorstand und damit auch selbst
ihm als freie Selbstverpflichtung übergeordnet ist. Er sagte: „denn man weiß,
was man an dem Vorstand hat, man hat die Statuten“.
Gewiss, man kann die Zeit nicht
zurückdrehen, aber wenn behauptet wird, dass es nur unter und mit Rudolf
Steiner möglich war, die Statuten zu realisieren, wird er künstlich auf einen
Sockel gehoben, wo er selber gar nicht stehen möchte, ja man verhindert dadurch
die mögliche Weiterverwirklichung des von ihm inaugurierten
Zivilisationsprinzips des neuen Christentums und fällt hinter dem, was er am 1.
Januar 1924 über die Weihnachtstagung sagte, weit zurück: dass es sich um einen
Welten-Zeiten-Wende-Anfang gehandelt habe, etwas, was Herbert Witzenmann
in seiner grandiosen Einführung zum Buch "Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums" von Rudolf Steiner als zeitgemäße Metamorphose
der urchristlichen Glaubensgemeinde hin zu einer Erkenntnisgemeinschaft des
neuen Christentums erläutert hat. Ohne die Wiederherstellung der vertikalen
Linie der Weihnachtstagung als der reale Boden, worauf die „entsprechende
Relation“ als die horizontale Linie zwischen der Anthroposophischen
Gesellschaft und „aktiv arbeitenden“ anthroposophischen Organisationen gebildet
werden kann, gleicht man einem im luftleeren Raum operierenden umgekehrten
Baron Münchhausen.
Um dies zu verhindern, habe
ich mich bemüht, diese sicher ergänzungsbedürftigen Zeilen zu schreiben und zu
begründen versucht, dass - obwohl viel gearbeitet wurde - die Konstitutionsgruppe
den Weg noch nicht frei gemacht hat für einen breit getragenen Zukunftsgriff zu
einer würdigen und wahrhaftigen Jahrhundertfeier der Weihnachtstagung als die Rechtsform des neuen Christentums, und dass man deshalb das Thema nicht ad acta
legen kann.
NACHWORT
Der Antrag wurde, obwohl er fristgemäß eine Woche vor der Generalversammlung am 23. April beim Vorstandssekretariat eingereicht wurde, nicht publiziert. Darauf angesprochen am Anfang der Generalversammlung antworte Justus Wittich, dass dafür die Zeit fehlte, obwohl das anscheinend nicht gold für ein am 26. April eingereichter Antrag zum selben Traktandenpunkt. Der Vorstand hat den Traktandenpunkt der Tagesordnung, auf dem der Antrag sich bezog, gestrichen, so dass eine Abstimmung gar nicht mehr möglich war, außerdem wurde es mir bei der Darstellung (wieder) durch den Versammlungsleiter Justus Wittich unmöglich gemacht den ganzen Antrag vorzustellen, aber er stimmte mir am Podium immerhin zu, dass die zwei offenen Fragen eben nicht niedergelegt werden könnten. Was für Konsequenzen diese (persönliche?) Zustimmung nun habe, ist noch die Frage; in der Berichterstattung über die Generalversammlung in "Anthroposophie Weltweit" Nr. 5 wurde nichts davon gemeldet, nur das ich eben einen Zusatzantrag "Das Kreuz der Weihnachtstagung ist die Rechtsform des neuen Christentums" dargestellt habe. Erfreulich aber ist, dass in derselben Nummer von AWW im Forum mein Bericht "Gralsgemeinschaft" publiziert wurde mit einem Link zu diesem Antrag. (Geschrieben am 29. April, 2023)
[1] Diese Schriften von Herbert Witzenmann sind: "Die Prinzipien der Allgemeinen
Anthroposophischen Gesellschaft als Lebensgrundlage und Schulungsweg", "Gestalten oder Verwalten – Rudolf
Steiners Sozialorganik/ Ein neues Zivilisationsprinzip", „Idee und Wirklichkeit einer Freien Hochschule“ und "Der Urgedanke
– Rudolf Steiners Zivilisationsprinzip und die Aufgabe der Anthroposophischen
Gesellschaft" sowie seinen Aufsatz "Die Prinzipien Rudolf Steiner in ihrer
spirituellen und sozialen Bedeutung". Mit
Prinzipien sind hier das Gründungs-Statut gemeint, denn so wurden früher die 15
Statuten der Weihnachtstagung bezeichnet.